Sinn und Sinne

MoniSophie’s Welt – Afantasie

Noch eine neue Schublade!

Auswendig lernen war noch nie mein Ding. Und trotzdem habe ich Pharmazie studiert. Weil das Studium so viele Naturwissenschaften und zusätzlich soziale, pädagogische und technische Wissensgebiete berührt. Damit musste ich mich vorerst nicht für ein Thema entscheiden. Das wollte und konnte ich nicht, weil mich das alles gleich stark interessiert – heute fasst man solche Persönlichkeiten unter dem Begriff „Scanner“ zusammen, früher landete ich eher in der Schublade „entscheidungsschwach“ oder chaotisch. Dann kam das Studium. Ohne Wartezeit, Treffer, der Numerus Clausus passte zu meiner Abi-Note. Das wurde eine sehr anstrengende Zeit. Nicht nur, weil privat so einiges ins Wanken geriet.

Telefonbücher auswendig lernen oder “abfotografieren”?

Ich weiß nicht, ob das heute noch zutrifft, aber wir Pharmazeuten waren die, die für ihr Studium bildlich gesprochen Telefonbücher auswendig lernen mussten, wenn sie ihre Prüfungen bestehen wollten. Nicht gerade meine Begabung, siehe oben. Nur der Begeisterung für das Entdecken und Lernen und Verstehenwollen verdanke ich, dass ich im zweiten Anlauf das zweite Staatsexamen geschafft habe. 

Schon damals schossen Hunderte von Fragezeichen in meinen Kopf, als die Jahrgangsbeste (die natürlich später Professorin wurde) in der Diskussion nach der Klausur wie nebenbei erwähnte: war doch klar, steht auf Seite xxx in der dritten Fußnote.

Äh? Auf den Kopf gefallen war ich ja auch nicht gerade, aber was war das? Ich versuchte, das mit einem „fotografischen Gedächtnis“ zu erklären, das nur wenige Hochbegabte hätten, ähnlich dem „absoluten Gehör“.

Entspannungstechniken

Im Laufe des Berufslebens wurde es zeitweise sehr „stressig“ und ich versuchte einen neuen Anlauf mit Meditation und Autogenem Training. Glatter Flop, beides. Mir Dinge und Situationen „einzubilden“ war mir anscheinend ebenfalls nicht gegeben oder sperrte ich mich dagegen? Erzählten die Teilnehmer hier Stehgreif-Geschichten? Ich gab es wieder auf.

Was einigermaßen entspannend wirkte, war dagegen ein Kursus in Fußreflexzonenmassage bei Frau Casagrande in der VHS Landsberg und – was für eine tolle Sache! – das Anschlagen von Klangschalen, die dann auf den Körper zum Klingen platziert wurden. Besonders die tiefen Töne hatten eine beruhigende Wirkung. Beide Behandlungen habe ich auch später noch probiert. Die Wirkung war sehr abhängig von den TherapeutInnen. Thema Vertrauen. Nicht verwunderlich.

Klänge zur Unterstützung

Jahrzehnte später kam ich sehr zufällig zur Phonophorese. Ein Flyer von Eva-Maria Klöhr fiel mir in die Augen, während ich in der heute geschlossenen Schwanen-Apotheke anstand, um ein Rezept einzulösen. Eva-Maria Klöhr ist eigentlich zuerst mal Liedermacherin und Sängerin. Ich kannte sie noch nicht und habe nach einigen Tagen den Mut gefasst, ihr zu schreiben und mit ihr zu telefonieren.  

Wir haben dann Termine ausgemacht. Sowohl für die „Sing-für -deine-Seele-Abende“ – wo ich in einen netten Kreis aufgenommen wurde -, als auch für die Phonophorese-Einzelbehandlung.  Das Erlebnis habe ich in einem „Gedicht“ festgehalten. Das war sehr neu, sehr beeindruckend. (Vernetze ich später mal…)

Kurz darauf wurden Kurse in Progressiver Muskelrelaxation und in Autogenem Training, unterstützt mit Klanggeräten angeboten. Dieses Abenteuer habe ich gewagt. Meine Krankenkasse hat mich sogar zu 80 % bei den Kosten unterstützt. Warum also nicht. “Versuch macht kluch.”

Autogenes Training

In der Praxis merkte ich schnell, dass ich trotz täglicher Übung nur sehr langsam vorankam. Es fiel mir unendlich schwer, mir vorzustellen, dass meine Beine schwer, meine Arme warm, mein Sonnengeflecht strömend warm wurden. Vor allem beim Üben ohne Anleitung. Trotzdem bin ich dabeigeblieben. Das lag an den Klängen, an der „Führung“ und der ungewöhnlich „passenden“ Gruppe. Nach dem Anfängerkurs folgten Mittelstufe (nicht mehr gefördert) und Oberstufe. Jetzt spielten Formen und Farben eine größere Rolle. Sie sollten helfen, unseren Weg zu finden. Oder Antworten auf Fragen.

Tja. Da lag ich nun. Farben? Formen? Hinter meinen Augen blieb es schwarz bis Fernseher-Flimmer-Grau, bestenfalls schimmert etwas gelblich-grünes Licht durch die Augendeckel. Während meine Mitübenden die buntesten Bilder malten und interpretierten. Ich fühlte mich beim Zuhören wie in Tausend und einer Nacht. Ganz langsam begriff ich: die sehen wirklich etwas! Sichtbar hinter geschlossenen Augen! Tiefes Staunen packte mich. Und die Frage, was mache ich falsch?

Nachforschung

Was tue ich für gewöhnlich als Erstes, wenn ich Fragen habe? Jawoll, ich frage Dr. Google, Bing  etc. mit Eingaben wie „keine Bilder bei Meditationen“. Manche Antworten dazu verwiesen darauf, dass es eine Frage der Übung sei – aus heutiger Sicht ein klarer Fall von – genau „mansplaining“ (Belehren, ohne etwas zu wissen).

Nee, das war es noch nicht. Spätere Anläufe brachten mich auf „Aphantasie“.


Aphantasia – Ursachen, Symptome & Behandlung | MedLexi.de (Ein Klick bringt dich zum Artikel)

Zitat:

“Die Aphantasia ist eine Sonderform der visuellen Agnosie und entspricht der vollständigen Unfähigkeit zum willentlichen Abruf von visuellen Bildern. Das Krankheitsbild geht vermutlich auf Gehirndefekte zurück. Therapien gibt es bislang nicht.”

Na, besten Dank auch!

Kaputt im Kopf?

“Adam Zeman und seine Kollegen haben die Aphantasia mit der Seelenblindheit oder der visuellen Agnosie in Zusammenhang gebracht. Dabei handelt es sich um eine Störung bei der Verarbeitung von visuellen Reizen die von einer Schädigung des Sehzentrums verursacht wird” (Henrie – stock.adobe.com).

Aber hallo, das ist jetzt schon ein bisschen starker Tobak. Seelenblindheit? Was soll das denn sein?

Gar nicht so sehr selten

Das Gute an der Nachricht: Es gibt mehr Menschen, die diese Schwierigkeiten haben. Und sie sind nicht in ihrer Kreativität gestört. Die meisten Betroffenen erfahren wie ich nur zufällig, dass man diese Fähigkeit der visuellen Vorstellung haben sollte. Ja, den Verdacht hatte ich schon, schließlich beruhen etliche der Entspannungsmethoden und auch der Coaching-Übungen eben auf dem Prinzip der Visualisierung. Und damit konnte ich wenig anfangen. 

Okay, diese Art der Abkürzung kommt nun endgültig für mich nicht in Frage. Funktioniert aber wohl bei ca. 96 % der übrigen Menschen, also habe ich sie nicht vergeblich gelernt.

Neue Erkenntnisse

Heute habe ich noch einmal im Internet gestöbert und einige interessante Artikel dazu gefunden.

1. Den Klassiker Wikipedia: Afantasie – Wikipedia 

Auszug: 

“2022 existieren zwei Erklärungsmodelle für die Ursache von Afantasie. Eines geht von einer Kommunikationsstörung zwischen dem Frontallappen (vorderer Teil des Gehirns) zum Occipitallappen (hinterer Teil des Gehirns) aus. Der Wunsch, sich etwas bildhaft vorzustellen entsteht im Frontallappen, das vorgestellte Bild entsteht im Occipitallappen. Eine andere Theorie vermutet eine ständige Überaktivierung im Occipitallappen, die andere Signale überdeckt. Das Signal aus dem Frontallappen wäre dann nicht ausreichend, um andere Hirnaktivitäten zu übertönen. Diese Theorie ist nicht abschließend belegt. Afantasie kann ebenfalls durch Operationen, Hirnverletzungen oder Traumata ausgelöst werden. Bei letzterem als Schutzmechanismus um die Visualisierung der Traumaerfahrung zu verhindern.

Das hört sich schon weniger heftig an. Theorie zwei scheint mir eher plausibel.


2. Afantasie: Wenn die bildliche Vorstellungskraft fehlt – Spektrum der Wissenschaft

Dieser Artikel gibt eine gute Übersicht. Und zeigt auch, dass es hier nicht um 100 % „Kann/Kann nicht“ geht, sondern es die ganze Bandbreite gibt. Wiedererkennen ist zum Beispiel kein Thema, das funktioniert bei mir selbst ebenfalls einwandfrei.

3. Es gibt auch Tests, mit deren Hilfe herausgefunden werden kann, ob eine Person in diese „Schublade“ gehört oder eher nicht. Zum Beispiel auf dieser Seite, zusammen mit einer leicht verständlichen Beschreibung.

Aphantasie: Bist du auf dem inneren Auge blind? – wmn

Spannend oder?

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