Sinn und Sinne

Sternenstaub – Erkenntnisse: Off The Ground 3

Hören und Verstehen

Kennt ihr das? Ihr etwas schon einige Dutzend Mal, vielleicht hundertfach gehört, gesehen
und plötzlich, dieses Mal versteht ihr etwas ganz anderes, nehmt es ganz anders wahr?
So ging es mir jetzt bei meiner Bügelmusik!

Unglaublich, wie die Songtexte vieles von dem ausdrücken oder anticken,
was in der Gegenwart und neueren Vergangenheit so abgeht.

Und in meinen Gedanken.

Ansichtssache

In der Schule habe ich schriftliche Interpretationen nicht besonders geliebt.
Meine waren häufig etwas eigenwillig.

Eine der Deutschlehrerinnen, die auch Kunstlehrerin
und an für ihre unkonventionelle, ungewöhnlich bunte Art bekannt war,
schrieb dann gelegentlich mit roter Tinte „schief“
an den Rand meiner Aufsätze.

Damit wusste ich nicht viel anzufangen.
Oder doch: ich begriff, dass hier bestimmte Antworten erwartet wurden.

Negative Kritik verarbeiten

Aber welche? Na ja, auch SprachenlehrerInnen denken sich nicht alles selbst aus.
Sie studieren. Zum Beispiel an der pädagogischen Hochschule.
So eine hatten wir in unserer Stadt.

Weil ich schon immer eine Leseratte gewesen bin,
war ich auch viel in Büchereien und Buchhandlungen unterwegs.
Viel Geld hatte ich nicht, deshalb stöberte ich vor allem in der Reclam-Abteilung.  
Da stand vor allem das herum, was sich auf der Lektürenliste für die Schule fand.
Und für die Hochschule.

Wissen, was sie wollen

Und da entdeckte ich plötzlich zwei unglaublich hilfreiche Schätze:
Erstens: zweisprachige Lektürenheftchen.
Und zweitens: Heftchen mit Originaltexten plus „Kommentar“.  

Heute fasst man das in die Worte „Ich war völlig geflasht“-
 – Also wohl so etwas wie „elektrisiert“.
Danach habe ich jedenfalls nie wieder die Korrektur „schief“ bekommen.

Obwohl ich durchaus auch meine Ideen eingebracht habe.
Ganz zurückhalten konnte ich mich nicht.
Aber jetzt schrieb ich alles nur zusätzlich zu dem,
was laut Lehrplan und Lernzielvorgabe erwartet wurde.

Spieß umgedreht

Zusätzlich waren die hilfreichen Büchlein eine Quelle für ziemlich unbequeme Fragen.
Ich war ja wissbegierig und klang dadurch nicht selten „abgehoben“.
Es hat seltsamerweise nie eine Lehrperson gefragt, wie ich darauf komme.
Aber auch selten eine auf meine Fragen geantwortet.

Einem Meister lauschen

Erst viele Jahrzehnte später habe eine für mich entscheidende Erkenntnis
zum Thema Aussage und Interpretation geschenkt bekommen.
Und zwar von Ulrich Schaffer.

Zu meiner großen Freude ist er von irgendwem auf den Schwanberg eingeladen worden.
Freudig habe ich mir Karten besorgt zu der zweiten Lesung meines Lebens überhaupt.

Ulrich Schaffer hat ein umfangreiches Werk an Bildbänden und Bildbändchen geschaffen.
Darin finden sich viele sehr ansprechende Fotografien
aus den Nationalparks der USA und Kanada und einige aus Deutschland.

Weil wir zusammen auch einige der Nationalparks bereist haben
und Hunderte Fotos und Dias (Jürgen) mitgebracht haben,
bekam ich von Jürgen als kleines Mitbringsel zur Erinnerung
immer mal wieder die kleinen Büchlein geschenkt.

Der Mann fasziniert

Die Fotografien lösten das aus, was sie sollten.
Aber auch ein Blick auf die Texte lohnte!
Immer wieder las ich sie und tue das heute noch.
Sie erklären mir irgendwie „die Welt“ im Zusammenhang.
Oder nein, eigentlich stupsen sie mein Denken an und mein Empfinden.

Diese „Lesung“, die eher einer Andacht mit verschiedenen Elementen,
u.a. den Texten einer weiteren Autorin aus der Gegend
und Übungen mit völlig unbekannten Menschen neben uns ähnelte,
hatte einen unglaublichen Zauber.

Schreiben mit Absicht?

Er sprach davon, dass er unendlich dankbar ist für die Texte,
die ihm gegeben werden.

Also nicht davon, dass er sie schrieb,
womöglich noch mit einer bestimmten Absicht!

Der nächste Satz haute mich fast um:

Er wundert sich jedes Mal, wenn er die Texte liest,
wie sie neue Bedeutungen für ihn annehmen.

Kartenhäuser aus meinen Gedanken
geraten ins Wanken

Was für ein Blitz durch alle meine Gedanken, Bewertungen, Unfreiheiten!

Was passiert da?

Wie, der will gar nicht etwas Bestimmtes ausdrücken, vorschlagen, anleiten, berichten? 

Wo kommen die Texte dann her? 

Braucht ein/e AutorIn für so etwas gar kein Konzept, gut konstruiert und ausgefeilt? 

„Läuft“ das wirklich einfach aus dem Kopf aufs Papier oder in die Tasten?

Ein ganzer Berg an hemmenden Glaubensätzen kommt ins Rutschen.

Keine Ausreden mehr

Ich fange an, mich neu zu sortieren.
Der Auftrag heißt: Schreib drauf los!

Ein neuer Schwall von Fragen

Dieses Mal: was gilt noch von dem,
was ich beigebracht bekam,
was ich eingeübt habe,
wie ich mein Weltbild gezimmert habe?

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