Wald- und Wiesenapothekerin – Zu den Wurzeln
Natur-Apotheke
Pharmazie ist so viel mehr als alphabetisch sortierte Schachteln in der Schublade. Deshalb lernen wir in der Ausbildung auch allerhand über Kräuter und deren Wirkung, wenn auch vor allem über die Chemie, die darin versteckt ist. Gerade Naturstoffe sind sehr komplex zusammengesetzt. Die Namen der Wirkstoffe oder Wirkkomplexe sind gelegentlich unaussprechlich. Häufig sind sie für eine Anbieterfirma „reserviert“ (weil sie Inhaberin der Wirknachweise ist, sprich die Studien bezahlt hat). Und wenn du dann noch die Strukturformeln dazu aufmalen musst, wird es echt kompliziert.
Nach den ersten Jahren als Offizin-Apothekerin (Offizin meint dabei den Verkaufsraum einer Apotheke) habe ich erst ein wenig quer durch Deutschland sogenannte „Chef-Vertretungen“ übernommen. Dabei war ich auch einmal ganz weit draußen, in einem kleinen Ort im Süden. Dort gab es ein Apotheke, die ein für damalige Verhältnisse riesiges Angebot an Pflanzenarzneimitteln hatte und Tees für allerhand Zwecke mischte. Und die Bevölkerung nutzte dieses Angebot intensiv. Und das nicht nur für Kinder und Kranke, sondern auch im Alltag und fürs Vieh. Das fand ich faszinierend. Dadurch bin ich im tiefsten Sinn des Wortes zu den „Wurzeln“ der Heilkunde zurückgekommen.
Beweise für die Wirksamkeit finden
Gar nicht so lange später heuerte mich sogar eine Naturheilmittelfirma an. Das war sehr spannend. Denn für die Arzneimittelzulassung musste ich quer durch die Literatur und in vielen Einzelgesprächen mit Fachleuten, aber auch Tagungen und Studien und Anwendungsbeobachtungen nach dem sogenannten „Wirksamkeitsprinzip“ suchen und die Unschädlichkeit begründen. Das war Detektiv- und Pionierarbeit, sehr abwechslungsreich und nervenaufreibend. Das Ausfüllen der entsprechenden Formulare und Unterlagen war dann sozusagen das langatmige Gegengewicht dazu.
Verdrängt
Dann kam eine Zeit, in der die Pharmafirmen die Naturheilkunde links liegen ließen, bzw. oft genug die entsprechenden Geschäftszweige verkauften. So rutschte ich, quasi auf demselben Sessel hocken bleibend, von einer Arzneiteefirma in die „Obhut“ des größten Pharmariesen. Der hatte mit „Natur“ nur noch wenig zu tun.
Zu den Wurzeln
Doch die „Wurzeln“ riefen. Nach meinem „Ausstieg“ startete ich in die Freiberuflichkeit, unter anderem auch, um mich wieder mit Pflanzenheilkunde beschäftigen zu können. Schulungen und Beratungen, sogar Busreisen wollte ich anbieten. Warum auch immer, blieb dieser Geschäftszweig hinter dem der Qualitätssicherung zurück.
Anscheinend musste noch das Bild von der Kräuterhexe in Richtung Professionalität gebürstet werden. Und das Bewusstsein für diese Alternative in der Bevölkerung musste wachsen. Das entwickelte sich, wie immer, erst als das Angebot fast komplett zurückgefahren und auf hoffnungsvolle Chemie und Biotechnologie – Neuerscheinungen umgestellt war. Pharmazie, patentierbar mit hohen Umsatzerwartungen, möglichst auf Kosten der Krankenversicherung. Die Forschung zu Naturstoffen wurde dagegen fast bedeutungslos.
Klostermedizin
Nicht zuletzt als Antwort auf den „Hype“ der Hildegard-Medizin wurde in Würzburg eine Forschergruppe gegründet, die sich um „Klostermedizin“ kümmerte.
Startseite – Forschergruppe Klostermedizin
Interessant ist, dass der Leiter der Gruppe weder Mediziner noch Pharmazeut, sondern Germanist mit Faible für alte Kräuterbücher war. Doch zusammen mit seinem überwiegend pharmazeutischen Team war er recht bald „der Spezialist“, der häufig auch im Fernsehen erschien.
Als unsere Heilpraktikerschule 2010 erstmals einen mehrteiligen Kursus in Klostermedizin mit Abschlussprüfung anbot, war das eine willkommene Gelegenheit, die Kenntnisse auf den aktuellen, wissenschaftlichen Stand zu bringen. Sozusagen die Initialzündung für die weitere Beschäftigung mit Kräutern und Zubereitungen und die Aromatherapie.
Spezialisten und Glaubende
Es gibt viele Interessierte wieder inzwischen, auch Kräuterfrauen und -männer, die sich teils leichter als ich damit tun, die Pflänzchen in der freien Natur aufzustöbern oder in ihren manchmal wirklich faszinierenden Gärten zu hegen und zu pflegen. Kräuterrezepte, ganze Kochbücher gibt es in größerer Zahl. Also glücklicherweise ist das Thema wieder interessanter für die Öffentlichkeit geworden. Leider ist es manchmal aber reine Glaubenssache, was da empfohlen und verkündet wird. So passiert es dann schon mal, dass die Pflänzchen für die ein oder andere „Kur“ an unpassenden Orten gesammelt werden oder nicht richtig verwendet. Nicht immer ist Natur harmlos.
Noch zu entdeckende Kräfte
Doch sie ist mächtig in den Händen der „Wissenden“. Mich faszinieren vor allem die Fähigkeiten der etherischen Aromaöle. Mit diesen sollte man aber sehr sorgsam umgehen, mit großem Respekt und Sorgfalt, vor allem aus Gründen der Nachhaltigkeit. Wir werden diese Kräfte noch brauchen, im Kampf gegen Krankenhauskeime (multiresistente Keime, gegen die Antibiotika der chemischen Bauart zunehmend machtlos werden) und Viren oder anderen Erregern. Da wird nach meiner Einschätzung noch eine Menge auf uns zukommen mit den Temperaturveränderungen, Wanderungen und zurückweichendem Permafrost.
Nun ist es eine sehr lange Vorrede zur Einstimmung auf ein das Blogthema Naturheilkunde / Phytotherapie /Aromatherapie im Rahmen von Sinn & Sinne geworden. Hoffentlich macht es trotzdem Spaß und neugierig auf weitere Beiträge. Habe schon welche im Kopf…
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